Individuell Lernen - auch aus der Erwachsenenbildung, welche sich mit dem Lernen Erwachsener beschäftigt, wissen wir, dass jeder individuell lernt. Neues wird mit dem bereits Erlebten verknüpft und kann Lernen fördern. Handlungen und Begriffe werden individuell gedeutet, vor und mit biografischen Erfahrungen. Diese sind wiederum mit Gefühlen verknüpft. Aber das nur ganz nebenbei...
Interessant ist vor diesem Hintergrund, das subjektives Lernen als Dozent zu beobachten. Unzählige Beispiele zeigen, wie unterschiedlich jemand für sich, aber auch unter dem Einfluss einer Lerngruppe lernt.
Ab und zu lasse ich Texte oder Erkenntnisse, die ich als Dozentin präsentiere, individuell zusammenfassen oder aufbereiten. Es ist extrem spannend, wie unterschiedlich die Ergebnisse sind. Am Beispiel des Auftrages "Erstellen Sie eine Tabelle aus den Inhalten, mit denen wir uns beschäftigt haben" - zeigt sich das immer wieder eindrücklich. Einige nehmen ihr Blatt längs, andere quer. Die Begriffe werden entweder untereinander oder nebeneinander geschrieben. Die Inhalte sind unterschiedlich lang und einige schreiben einfach alles ab, während andere selbst zusammengefasst nur Aspekte in die Spalten und Zeilen schreiben. Auch die Zeit ist individuell. Einige kommen prima hin mit den Vorgaben, andere müssen noch einmal komplett die Inhalte lesen und überlegen, wie sie diese in eine Tabelle bekommen...Will ich eine spezielle Art von Tabelle, muss ich sie schon vorgeben...
Eine meiner liebsten Methoden zum nachhaltigen Lernen ist auch der "Strukturlegeplan". Hier geht es darum, zu Lerninhalten eine eigene Struktur zu legen, aus Begriffen, die von Lernenden auf einzelne Kärtchen geschrieben und individuell ausgelegt werden. Schaut man sich die einzelnen Strukturlegepläne dann an (oft gebe ich auch bewusst in Auftrag, die Pläne anderer zu besichtigen), gibt es enorme Unterschiede. Ich hatte sogar schon Lernende (aber sehr wenige), die mit dieser Methode überhaupt nicht klar kamen. Dann kann man sich als Dozent fragen, womit das wohl zusammenhängt. Kennt man Lernende besser, versteht man, warum diese (oder andere) Methoden für denjenigen nicht so gut funktionieren.
Oft erscheint uns als Dozent unsere Struktur und unser Aufbau von Lerninhalten logisch und nachvollziehbar. Wir sind verwundert, wenn Lernende diese Orientierung nicht teilen können, Formulierungen nicht verstehen oder den Aufbau nicht nachvollziehen können. Sicher nicht nur vor diesem Hintergrund lernt man im professionell-didaktischen Handeln, dass Inhalte nicht nur vielseitig, sondern auch immer wieder zusammenfassend von Lernenden individuell erworben werden müssen.
Wie lang kannst Du Dir das merken, was Du letzte Woche gelernt hast, als Du es gelesen hast...? Mir hat einmal eine Kollegin gesagt, dass sie im nächsten Unterricht, den sie hatte, erst mal wiederholen musste, weil die Lernenden nichts mehr abrufen konnten. Dies mussten sie aber, um das anliegende Thema zu verstehen - somit war zunächst einmal eine Wiederholung nötig...Zeitverschwendung? Nein, Lernförderung! Aber: Gewusst wie! Schließlich haben schlaue Leute einmal festgelegt, wie viele Stunden in welchem Lernfach ausreichen müssen...
Nie werde ich folgende Geschichte vergessen: Ich hatte für den Unterricht eine Folie vorbereitet, die verschiedene Kästchen grafisch um einen Kreis anordnete. Eine Gruppe von Lernenden, die viel nach bestimmten Abläufen lernen müssen, waren sehr irritiert und fragten, warum einige der Begriffe wichtiger wären als andere. Ich fragte, warum sie das denken würden. Die Antwort war: Naja, diese Kästchen sind oberhalb angeordnet und die anderen stehen unter dem Kreis, aber es ist doch alles wichtig!
Eine tolle Erfahrung...Hat sie mich doch gelehrt, dass eine vermeintlich subjektive Gleichheit von Begriffen abhängig vom Berufskontext ist :-)