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PhysioSein: Warum es Praxen gibt, die keine Patienten nehmen, die nur massiert werden wollen


PhysioSein: Warum es Praxen gibt, die keine Patienten nehmen, die nur massiert werden wollen...

Denn es gibt sie - diese Patienten, die trotz klarer Rezeptierung seitens des Arztes meinen, dass ihnen Massagen am Nacken, am Rücken, am Gesäß oder an den Oberschenkeln bei Problemen am besten helfen und das einzig richtige sind.

Hier mal kurz Geschichten aus einer Praxis, die auch Patienten mit Massage-Wünschen nimmt:

Der erste Patient an diesem Abend hat seit Wochen angeblich Ausstrahlungen in Gesäß und Beine...die letzte der sechs Mal Therapien ist er nun bei mir eingetragen.

Ich teste ihn und es ergibt sich eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule. Seine Symptome verstärken sich sogar bei zusätzlicher Nackenbewegung: Das Problem wird also nicht (nur) von den Muskeln, sondern auch von den neuralen Strukturen beeinflusst. Kein Wunder bei einer Bandscheibensymptomatik.

Ich fange an, die entsprechenden Abschnitte der Wirbelsäule mit manuellen Griffen zu untersuchen und zu behandeln. Er liegt dabei auf dem Bauch - und sagt mir nach drei Minuten, dass ich ihn doch jetzt bitte am Gesäß und am hinteren Oberschenkel massieren soll, so wie die eine Kollegin.

Zur Bestärkung zieht er seine Unterhose weit herunter und zeigt mir, wo ich ihn am Gesäß und am Übergang zum Oberschenkel massieren soll - mit der Bemerkung: Gerne auch etwas weiter innen. Dort wären die Probleme ebenfalls.

Ich frage ihn, warum er denkt, dass ihm das hilft, und wo er denn noch alles massiert werden möchte, weil er seine Hose so weit herunterzieht...Seine Antwort: Das macht die Kolleginnen immer, bei der ich seit 15 Jahren bin. Am Gesäß bin ich nämlich viel zu fest. Und durch meinen Beruf habe ich auch zu wenig Bewegung. Da brauche ich die Massagen dort! Er wirkt enttäuscht und etwas ärgerlich, das ich ihn nicht einfach dort massiere, wo er es zeigt. Nun gut, auf dem Rezept steht ja "MT", erkläre ich ihm. Und denke "na prima"...Theater durch Diskussionen möchte ich in einer Praxis, die nicht mir gehört, vermeiden. Also massiere ich, damit seine Unzufriedenheit nicht den Praxisablauf stört.

Als er sich zur abschließenden Wärmeanwendung auf den Rücken dreht, stelle ich fest, dass die Wölbung in seinem Schritt auch für einen Mann dann doch sehr ausgeprägt ist...aber genauer muss ich das nun auch nicht inspizieren... Ein Gespräch mit einer anderen Kollegin bezüglich dieses Patienten bestätigt meinen Eindruck, dass ihm Massagen u.U. aus anderen Gründen wichtig sind, als aufgrund eines Hypertonus in der Glutealmuskulatur.

...Ich vermerke auf der Patientenkarte, dass er zukünftig immer bei der Kollegin eingetragen werden soll, bei der er die letzten 15 Jahre war.

Die nächste Patientin kann seit Wochen nicht länger als 5 Minuten in einer Ausgangsstellung liegen. Ihr Rücken plagt sie im unteren Bereich. Degeneration und die Bandscheibe..Nach zweimaliger Behandlung mit gezielten therapeutischen Griffen an den Gelenken geht es ihr besser, auch wenn die ausstrahlenden Symptome und der Schmerz in der Lendenwirbelsäule noch immer vorhanden sind. Doch nachdem sie zwischendurch einmal bei einer Kollegin war, sagt sie heute zu mir: Bitte nur massieren, das hatte ich das letzte Mal auch und das hat mir sehr gut getan!

Och nö - denke ich. Von wegen, einmal ist keinmal...

Und dann: Der nächste Patient hat tatsächlich ein Rezept für 6x Massage bei Cervicobrachialgie. Sein Hauptproblem: Daumen und Zeigefinger der rechten Hand schlafen immer ein. Ich habe ihn nur einmal: Das Dritte von sechs Mal...seine Beschwerden waren noch nicht besser...

Ich frage mich - wie kommt ein Patient mit dieser Problematik zu einem Rezept über klassische Massage?

Mein ernüchterndes Fazit an diesem Abend: Von 6 Patienten haben 4 dauerhaft Rückenprobleme. Zwei davon mit Ausstrahlungen in die Extremitäten. Sie haben ein Rezept über MT, wollen jedoch nur massiert werden. Einer hat wirklich ein Rezept über Massage - bräuchte aber MT, damit der Nerv wieder entlastet wird. Eine Patientin ist Selbstzahlerin (Notiz der Kollegin: "Bitte nur massieren, sie will entspannen").

...Kein Wunder, dass Physios Arthrosen in den Händen bekommen. Und kein Wunder, dass es Rücken-Dauerpatienten mit Chronifizierungen gibt...Und Patienten, die ihre Bedürfnisse bei der PT befriedigen wollen, für die wir nicht zuständig sind...

Und darum gibt es wohl auch Praxen, die keine Patienten mit Massage-Wünschen aufnehmen. Vorallem, wenn auf dem Rezept etwas anderes verordnet wird.

Warum sind nicht alle ein bisschen kritischer und mutiger in Bezug auf Patientenwünsche !?!


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