PhysioSein: Warum Massagen bei Sensibilitätsstörungen der Finger wenig Sinn ergeben - darum geht es in diesem BLOGbeitrag.
Uns Physiotherapeuten verbindet man ja gerne mit Massage - viele Leute gehen immer noch davon aus, dass wir hauptsächlich massieren. Leider gibt es auch noch viele Kollegen, die vorwiegend das tun - es ist ja auch angenehm und für Patienten ein positives Erlebnis. Einige Therapeuten und Patienten gehen jedoch davon aus, dass bei der "Lockerung" von Muskeln durch Massage auch Probleme in Arm und Hand reduziert werden. Aber ist das wirklich so?
Was bringen denn Massagen überhaupt und wann bringen sie nichts?
Massagen sollen die Stoffwechsel- und Spannungssituation im Muskelgewebe beeinflussen. Somit werden ihnen entspannende und schmerzlindernde Effekte zugeschrieben. Dazu ist wichtig zu wissen: Muskulatur reagiert auf das, was von ihr beansprucht wird. Beispielsweise auf einseitige, längere Haltungen, aber auch Überlastungen durch ungewohnte, länger andauernde Beanspruchung oder ein Trauma (Sturz, Aufprall, harter Körperkontakt beim Sport usw.). Je nach Anforderung werden Gefäßversorgung und Rezeptoren (Melder im Gewebe) angeregt oder beeinträchtigt und sorgen für eine Reaktion des Gehirns auf die Begebenheiten. Allerdings wird der Muskeltonus zentral und nicht lokal gesteuert. Dabei spielen viele subjektive Faktoren eine Rolle, bspw. statische und konstitutionelle Einflüsse und Gedanken/Gefühle.
Massagen regen auf lokaler Ebene die Durchblutung und die Versorgung an. Sie führen zur Ausschüttung von Stoffen, welche uns - wenn es angenehm ist - positiv beeinflussen können. Doch Massagen können auch zu Lockerungen führen, die dann Einfluss auf die Stabilität angrenzender Gewebe haben. Im negativen Sinne, denn Muskulatur hat in Bezug auf Gelenke auch Schutzfunktionen.
Stellt sich ein Problem so dar, dass die Muskulatur nur der Re-Aktor ist, bringen Massagen wenig bis gar nichts. Und so ist es bei Sensibilitätsstörungen.
Warum können Sensibilitätsstörungen in den Fingern auftreten?
Zuständig für die Gefühlswahrnehmung sind unsere Nerven. Diese versorgen die Extremitäten mit Impulsen, u.a. um bewegen zu können, doch sorgen sie auch für das Spüren von externen Reizen, welche auf die Extremität einwirken. Ist ein Nerv auffällig, kann das viele Gründe haben. Zwei häufige Gründe ohne Grunderkrankung sind eine Verletzung in der Peripherie der Extremität, bei der ein Nerv unter "Druck" gerät oder ein Problem der Wirbelsäule und deren altersbedingte (besser: nutzungsbedingte) Veränderungen (Bandscheiben oder die verschiedenen Wirbelgelenke) oder kurzfristige funktionelle Störungen.
Unsere Finger werden von verschiedenen Nerven versorgt. Bestehen Probleme in der Halswirbelsäule (HWS) oder auch in der Brustwirbelsäule (BWS), kann es zu Verengungen des Nervengewebes kommen, bzw. zu einer mangelnden Flexibilität des Nerven auf Bewegungen. Diese zeigen sich gerne in der Peripherie, z.B. in den Fingern.
Gibt es lokale Engstellen auf dem Weg der Nerven von der Wirbelsäule (WS) in die Finger (z.B. eine Muskelüberlastung und dadurch Volumenänderungen im Umfeld des Nervenverlaufs), kann es ebenfalls zu Sensibilitätsstörungen kommen.
Was, wenn Sensibiltätsstörungen in den Fingern auftreten?
Zunächst ist es wichtig zu überlegen, woher das Ganze kommen kann. Gab es eine neue, eine ungewohnte oder eine länger andauernde Haltung oder Belastung? Gab es eine Krankheitsepisode oder eine Stresssituation?
Dann sollte überlegt werden, ob irgendetwas diese Störungen beeinflusst - Alltagsbewegungen, Haltungen, Schlaf? Und die Frage, ob es einem sonst eigentlich gut geht. Gibt es andere Stellen, die schmerzen - bspw. die WS oder etwas in der Nähe der WS?
Eine sehr gute Idee ist es, zur Physiotherapie zu gehen. Diese wird entweder vom Arzt verschrieben oder kann in vielen Praxen auf Selbstzahlerbasis erfolgen.
Gut ausgebildete Physiotherapeuten können ein Sensibilitätsproblem einordnen und auch bei unauffälliger Bildgebung (Röntgen, MRT,...) Erklärungen liefern, warum so ein Symptom auftreten kann. Dabei ist die Krankengeschichte (Anamnese) in Bezug auf das Problem oder die Körperregion hilfreich.
Wie wird das behandelt, wenn Massagen wenig Sinn machen?
Beim Physiotherapeuten, der nicht nur massiert
mit einer genauen Befundaufnahme (Gespräch & Untersuchung) zu Beginn
mit differenzierenden Tests zwischen Nerven - & anderen Strukturen
mit gezielten Techniken an der Wirbelsäule (die auch bei einem peripheren Trauma die Versorgung des Nerven positiv beeinflussen)
mit Behandlungen der Strukturen, welche den Nerven umgeben - doch nur mit Zwischenuntersuchung!
wenn das nichts bringt, mit gezielten Nervenmobilisationen durch bestimmte Bewegungen.
Gut zu wissen:
Massagen wirken lokal und beeinflussen nur unter ganz bestimmten Befunden eine verbesserte Mobilität im Nervenverlauf.
Bewegung ist für Neven essenziell, da sie eine hohes Maß an Durchblutung benötigen. Dabei ist es egal, wie intensiv diese Bewegung ist. Alltagsbewegungen, die verschiedenartig sind, fördern bereits die Durchblutung.
Stress im negativen Sinne und häufige Erkrankungen beeinflussen auch das Nervensystem und können zu Empfindlichkeiten der Strukturen führen.
Nerven benötigen länger, um zu reagieren. Sowohl im negativen, als auch im positiven Sinne.
Physiotherapeuten sollten auf diesem Gebiet nicht nur ausgebildet, sondern auch weitergebildet sein. insbesondere im Konzept der Manuellen Therapie (MT) nach Maitland oder in der Nervenmobilisation (Butler / NOI: Neuro-orthopaedic-institut) wird auf diese Behandlungskompetenzen Wert gelegt. Physiotherapeuten, die hier qualifiziert sind, verfügen über einen Nachweis der Fort-/Weiterbildung und sollten gezielt gesucht werden.
Fragen? Einfach melden. Alles Gute für Deine Nerven und deren Behandlung!