DozentSein: Warum wirksames Home-Learning mehr ist als Videounterricht, lest Ihr hier. Die letzten Monate haben auch meine Kompetenzen im Bereich "Lernanregung Lernender zuhause" gefordert. Einmal mehr wurde deutlich, dass dazu mediales und vor allem pädagogisches Wissen nötig ist.
Während viele Kollegen sich mit Videoformaten auseinandersetzten (und z.T. ärgerten, ganz zu schweigen von datenrechtlichen Aspekten), habe ich mich drangesetzt und an Unterlagen gearbeitet, die mehr sein sollten...
Mehr als nur ein Folienhandout von Powerpoint,
mehr als passives Zuhören oder Zuschauen einer Lehrperson im (mehr oder oft weniger interessanten) häuslichen Umfeld,
mehr als "Lesen Sie heute im Skript Seite x-xy".
Ich erinnerte mich an meine beiden Studiengänge, die ich berufsbegleitend absolvierte und zu deren Zeit sich online Lernen auf Nachfragen per Mail sowie später auch asynchrone Zusammenarbeit auf gemeinsam zu bearbeitende Textdateien im Internet beschränkten.
Gelernt habe ich am meisten durch die Texte, die wir bekamen und im Selbststudium "studieren", bzw. mit bisherigem Wissen verknüpfen mussten.
Das Wissen um Lernprozesse unserer individuell wahrnehmenden Gehirne haben meine Lehr-Lernveranstaltungen seit Corona weit mehr beeinflusst als die Möglichkeiten videobasierter Techniken. Für mich war klar: Ich stelle meinen Unterricht schriftlich zur Verfügung. Warum?
Solche Daten funktionieren immer (ohne Tonausfall, Kameraausfall, langsames Internet),
meine Unterrichte sind vorbereitet und das will ich nutzen,
Lernen durch Lesen ist selbstbestimmter und regt eigene Assoziationen und Verknüpfungen an,
durch die Aufbereitung von Texten kann ich klar zeigen, was - wann - wie - ECHT wichtig ist.
Die Kenntnisse über die Bedeutsamkeit reflexiven Lernens, verschiedene Lernpräferenzen sowie die Möglichkeiten, die einige Bildungsträger als Information für "Home-Learning" herausgaben, waren dabei sehr hilfreich. Dennoch gab es von dem ein oder anderen Kollegen Zweifel, wenn man sich gegen synchrone Formate wie gestreamten Videounterricht entschied. Warum, habe ich nie verstanden...
Doch Lernen - soll es wirksam sein - muss mehr sein als ein Lehrender auf dem Bildschirm. Natürlich nur, wenn man Dozieren nicht als permanente Selbstdarstellung sieht oder sich gerne reden hört.
Auch einige Lernende waren natürlich kritisch - und davon überzeugt, sie könnten nur lernen, wenn sie den Dozenten sehen würden...da half eine Erklärung, was warum auf sie zukommt und weshalb Lernen auch ohne Dozent gehen kann und wird.
Die meisten jedoch merkten, dass sie so flexibler waren und sich nun nicht einfach verstecken können, wenn es aktiv zu lesende Texte, Reflexionsaufgaben und Aufträge gab. Und das Lernen so oder so nur selbstinitiiert geht.
Weil natürlich auch ich meine Präsentationsfolien liebe, habe ich sie in Text eingebunden und als PDF zur Verfügung gestellt. Für Lernende war das dann so, als wenn sie mich die Inhalte erklären, ergänzen oder vertiefen hörten. Es gab dazu eine Menge an Rechercheaufträgen, Anregungs- & Vertiefungsfragen sowie Verknüpfungsangebote zu anderen Inhalten von Schule/Hochschule. Fragen konnten auf einem Internetdokument gestellt werden und so für alle sichtbar gestellt und beantwortet werden (ich nutze z.B. "ZumPad").
Manche Themen mussten abschließend mit schriftlichen Lernreflexionen oder von mir angeforderter Lerntagebücher abgeschlossen werden. Das war auch für mich sehr erkenntnisreich.
Klar, es ist viel mehr Arbeit als sich vor die Laptop-Kamera zu setzen und zu "dozieren"! Es braucht auch verbales Geschick für angemessene Formulierungen sowie Kreativität, was Aufträge angeht. Verfügbar muss (und will?!) man ja trotzdem sein - zu den offiziellen Unterrichtszeiten. Das geht jedoch prima per Mail!
Lernen ist und bleibt ein aktiver Prozess. Wir können es unseren Lernenden in keinster Weise abnehmen! Schon gar nicht durch Lehrer-/Dozentenvorträge. Unterrichtszeit sollte zudem Lernzeit sein. Deswegen wird ja auch didaktisch reduziert. Eigentlich...
Warum also bietet Home-Learning Vorteile?
Lernen wird zum aktiven Prozess,
Selbstorganisation ist gefragt (eine wichtige berufliche Kompetenz),
die Lernzeit kann dem eigenen Tages- oder Wochenrhythmus angepasst werden,
man erlebt alle Lernende in ihrem Lernprozess, wenn "geliefert" werden muss,
der Kontakt zu Lehrenden ist individueller - und somit auch die Lernunterstützung,
Eigeninitiative und Selbstorganisation Lernender wird gefördert, nicht nur, wenn gruppenteilige Erarbeitungen anstehen.
Es gibt wunderbare, kostenfreie Tools wie "ZumPad", "padlet" oder "board.net", die Gruppenarbeiten, Austausch und Erklärungen ermöglichen. Sogar synchron! Es gibt tolle Lernplattformen, welche von Bildungsträgern implementiert wurden (lange vor Corona ;-)) und die sehr viele Möglichkeiten hergeben. Was allerdings von Dozenten auch Engagement, Interesse und Flexibilität fordert. Doch sollten wir das unseren Lernenden schuldig sein!
Mein schönstes Kompliment während des Unterrichts zuhause von Lernenden war: "Ihre Unterlagen waren super! Man konnte sehr gut folgen und sich richtig vorstellen, wie Sie vor uns stehen. Man spürte auch ihre Begeisterung. Vielen Dank!"
Aktuell erstelle ich kleine Videopräsentationen (super dabei: Powtoon.de) zu Themen meiner Unterrichte, fülle Lernapps mit Unterrichtsinhalten und Selbsttests - angepasst an den Stand der einzelnen Lerngruppen und deren Inhalte...
...falls Corona wieder "Lehre für zuhause" einfordert. Aber auch, um Präsenzlehre auch medial mehr Richtung Präsenzlernen zu bringen.
Also - habt Mut, mehr zu sein, als der Dozent auf dem Bildschirm. Vielseitigkeit der Lehre ist auch im "Homeschooling" gefragt!
Viel Freude beim Lehren.
Comments